Es klingt harmlos, fast schon süß: „Ach, ich gönn mir nur ein Gläschen Wein zum Runterkommen.“
Wer kennt diesen Satz nicht? Ob nach einem langen Arbeitstag, einem anstrengenden Gespräch oder einfach, weil gerade alles ein bisschen viel ist – viele greifen abends zur Flasche.
Nicht um sich zu betrinken, sondern um „abzuschalten“. Klingt erst mal nicht dramatisch. Ist ja auch kein Komasaufen. Nur ein Glas. Oder?
Genau hier wird’s interessant. Denn dieses eine Glas kann viel mehr über dich sagen, als du vielleicht vermutest.
Es geht dabei nicht um moralisches Fingerzeigen oder Scham – sondern um Ehrlichkeit sich selbst gegenüber.
Und vielleicht darum, mal einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen: „Warum brauche ich das eigentlich jeden Abend?“
Hier sind fünf Dinge, die viele Menschen, die regelmäßig mit einem Glas Wein abschalten, oft ganz unbewusst tun – und die mehr über ihre inneren Baustellen verraten, als sie glauben.
1. Gefühle werden lieber weggedrückt als gefühlt

Wenn du abends das Bedürfnis hast, erst mal ein Glas zu trinken, bevor du zur Ruhe kommen kannst, dann ist das vielleicht weniger eine Vorliebe – sondern eine Gewohnheit, die sich über Jahre eingeschlichen hat.
Und diese Gewohnheit hat oft etwas mit Emotionen zu tun.
Viele von uns haben nie wirklich gelernt, mit unangenehmen Gefühlen umzugehen.
Ärger, Stress, Unsicherheit, Scham – das sind alles Dinge, die sich im Laufe des Tages ansammeln.
Und was machen wir? Wir packen sie fein säuberlich in eine Schublade, drücken sie zu, setzen ein Lächeln auf … und öffnen abends die Weinflasche, damit das Ganze nicht mehr ganz so laut in uns rumort.
Klingt bekannt?
Das Problem: Alkohol ist ein emotionales Betäubungsmittel.
Er macht nichts besser – er macht nur leiser. Für den Moment. Aber die Gefühle sind ja nicht weg.
Sie sitzen am nächsten Morgen noch da, winken dir zu und fragen: „Na, wieder ignoriert worden?“
Und das Verrückte: Je öfter du das machst, desto mehr gewöhnt sich dein Körper und dein Kopf an dieses Muster.
Der Wein wird zur Brücke zwischen dir und deinem echten emotionalen Zustand.
Und irgendwann kannst du vielleicht gar nicht mehr richtig runterkommen – ohne diese Brücke.
2. Es wird lieber gepflastert als geheilt

Stell dir vor, du hast eine Wunde am Bein. Nicht schlimm, nur eine kleine Schnittwunde.
Statt sie zu reinigen und zu verbinden, klebst du einfach jeden Abend ein neues Pflaster drüber.
Und zwar immer wieder das Gleiche. Nach ein paar Wochen fängt’s an zu eitern, es tut weh, es wird schlimmer – und du verstehst nicht, warum.
So funktioniert das auch mit Stress. Viele Menschen, die abends „ihr Glas brauchen“, sind tagsüber extrem angespannt.
Sie funktionieren. Sie leisten. Sie reißen sich zusammen. Und sie kümmern sich null um ihre eigenen Bedürfnisse. Kein Innehalten, kein echtes Atmen, kein Runterkommen. Stattdessen: durchziehen.
Am Abend ist der Körper leer, die Gedanken rasen – und dann kommt das Glas. Wie ein Pflaster.
Es beruhigt, macht müde, dämpft. Für den Moment. Aber der Stress? Der bleibt. Und wächst.
Wenn du merkst, dass du tagsüber nie zur Ruhe kommst, dass du dich durchs Leben hetzt wie auf der Flucht, und der erste Moment, in dem du dich halbwegs entspannt fühlst, der ist, wenn der Wein in deinem Glas landet – dann läuft was schief.
Und zwar nicht, weil du schwach bist. Sondern weil du dir selbst keine echten Erholungsräume gibst.
Du fütterst das Symptom, aber nicht die Ursache.
3. Der Körper wird zum Automaten für Wohlfühl-Kicks

Alkohol pusht dein Dopamin – also das Hormon, das uns kurzfristig happy macht.
Das kennst du bestimmt: Du trinkst den ersten Schluck, und plötzlich fühlt sich alles ein bisschen leichter an.
Die Schultern sinken, das Gedankenkarussell wird langsamer, du atmest durch. Und genau dieses kleine High speichert dein Gehirn ab.
Blöd nur, dass Dopamin verdammt schnell süchtig machen kann – nicht unbedingt im Sinne von körperlicher Abhängigkeit, sondern im Sinne von: „Ich brauch das jetzt. Sonst fehlt was.“
Wenn du dich also dabei erwischst, dass du unruhig wirst, wenn du mal kein Glas am Abend trinkst … oder dass du gereizter bist, unentspannter, unausstehlicher – dann ist das kein Zufall.
Dann hast du dir ein Belohnungssystem gebaut, das nur noch mit Alkohol funktioniert.
Wie ein Lichtschalter, der nur dann funktioniert, wenn du vorher einen bestimmten Knopf drückst.
Aber echtes Wohlbefinden funktioniert anders.
Es kommt nicht aus der Flasche – sondern aus Routinen, aus Selbstfürsorge, aus Pausen, aus echten Gesprächen.
Und ja, das klingt erst mal nach mehr Arbeit. Aber es ist nachhaltiger. Und gesünder. Für Kopf und Körper.
4. Emotionale Selbstregulation? Fehlanzeige.

Es gibt Menschen, die schaffen es, nach einem beschissenen Tag einfach mal zehn Minuten die Augen zuzumachen, tief zu atmen und sich zu sortieren.
Oder mit einem Freund zu reden. Oder eine Runde spazieren zu gehen.
Und dann gibt’s die anderen. Die, die unruhig werden, nervös, gereizt – bis endlich der Korken ploppt oder die Bierflasche zischt.
Diese Menschen verknüpfen emotionale Entspannung mit einem bestimmten Ritual.
Und wenn dieses Ritual Alkohol beinhaltet, dann ist das auf Dauer gefährlich.
Warum? Weil du dir die Fähigkeit nimmst, dich selbst zu regulieren. Du gibst die Kontrolle ab – an ein Getränk.
Und was, wenn du mal keinen Alkohol da hast? Oder krank bist? Oder fahren musst? Oder schwanger?
Dann fehlt dir plötzlich ein wichtiger Mechanismus zur Selbstberuhigung.
Das ist kein Vorwurf – das ist eine Beobachtung. Viele merken gar nicht, dass sie auf dem besten Weg sind, abhängig von der Wirkung zu werden – nicht mal unbedingt vom Alkohol selbst.
Sondern von dem, was er ihnen gibt: Ruhe. Abstand. Frieden. Und das macht’s so schwierig.
5. Der Alltag ist voll, aber innen drin ist’s leer

Ganz ehrlich: Viele Menschen, die regelmäßig trinken, fühlen sich innerlich leer.
Vielleicht nicht immer – aber oft. Sie funktionieren. Sie haben Familie, Job, Termine, soziale Kontakte.
Aber da ist so ein leises Gefühl von: „War das jetzt alles?“ Oder: „Ich kann so nicht mehr.“
Und der Wein? Der füllt diese Lücke. Für einen Moment. Er macht aus der Leere eine Pause.
Eine kleine Flucht. Ein bisschen Schein-Gemütlichkeit. Netflix, Sofa, Kerze, Glas in der Hand – das fühlt sich fast wie Entspannung an.
Aber wenn du ganz ehrlich zu dir bist: Ist es das wirklich?
Oder hast du vielleicht nur verlernt, dich anders gut zu fühlen? Ohne äußeren Input. Ohne Betäubung. Einfach nur du – mit dir.
Das ist unbequem, ich weiß. Aber genau da liegt der Schlüssel. Menschen, die ihre innere Leere mit Alkohol betäuben, verpassen oft die Chance, sich selbst näherzukommen.
Und mal ganz im Ernst: Wie willst du echte Lebensfreude spüren, wenn du ständig versuchst, dich zu betäuben?
Fazit
Dieser Artikel soll dir keine Moralpredigt halten. Du sollst dich nicht schlecht fühlen, wenn du gerne Wein trinkst.
Es geht nicht darum, Alkohol zu verteufeln – sondern darum, dir selbst mal ehrlich in die Augen zu schauen.
Stell dir einfach ein paar Fragen:
Brauche ich das Glas wirklich – oder will ich nur runterkommen?
Gibt’s andere Wege, wie ich Stress abbauen könnte?
Würde ich mich unruhig fühlen, wenn ich heute mal nichts trinke?
Was steckt eigentlich hinter diesem Bedürfnis nach Betäubung?
Wenn du merkst, dass dir die Antworten schwerfallen – dann bist du nicht allein.
Viele Menschen schleppen diese Fragen jahrelang mit sich rum, ohne je richtig hinzuschauen. Aber genau das ist der erste Schritt: Hinsehen. Und ehrlich sein.
Denn am Ende geht’s nicht um Alkohol. Es geht um dich.
Und darum, ob du dir selbst erlaubst, anders mit deinem Leben umzugehen – gesünder, klarer, liebevoller. Nicht perfekt. Aber wach.
Und ja – das ist schwer. Aber du bist nicht schwach, nur weil du manchmal müde bist.
Du bist ein Mensch. Und Menschen dürfen lernen.
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